Bicher

Interview mit Lamia Flos

Dieses einzigartige und gefühlvolle Interview, durfte ich mit der Autorin führen – ich schätze sie persönlich sehr, da sie sich diesen Tabuthemen widmet. Ich ziehe den Hut vor Ihnen, Lamia Flos. Bitte machen Sie weiter so.

Wieso sind Ihre Bücher ab 18?
Grundsätzlich können die Bücher ab ca. 15-16 Jahren gelesen werden. Die Kennzeichnung 18+ dient in dem Fall nur einer Art Contentwarnung, weil doch die eine oder andere explizite Szene in den Büchern vorkommt.


Was möchten Sie den Lesern mit Ihren Büchern vermitteln?
Es gibt in meinem Fall zwei verschiedene „Kunden“. Einmal diejenigen, die tatsächlich betroffen sind und dann diejenigen, die nicht selbst betroffen sind.
Ersteren möchte ich vermitteln, dass sie nicht allein sind und dass es keine Schande ist, sich Hilfe zu holen.
Letzteren möchte ich vermitteln, wie perfide die Täter vorgehen und dass es sich lohnt, die Augen offen zu halten. Und im schlimmsten Fall natürlich Maßnahmen zu ergreifen.
Fiel es Ihnen schwer über diese Themen zu schreiben?
Mein erstes Buch „Toxic – Wenn Liebe vergiftet“ habe ich mit viel Wut im Bauch geschrieben. Das würde ich so heute nicht mehr machen. Andererseits hat es mir sehr gut getan, und ich kann sagen, dass ich heute eine gesunde Distanz zu sämtlichen Missbrauchsthemen habe, sodass es mir nicht mehr so schwerfällt, darüber zu schreiben.


Mussten Sie oft eine Pause machen?
Bei Toxic musste ich tatsächlich öfters längere Pausen machen. Ab Nutzkind ging es mir leichter von der Hand, über die Themen zu schreiben. Seit ich anderen meine Stimme leihe, geht es fast wie von selbst.


Wieso haben Sie sich dazu entschlossen über Tabuthemen zu schreiben?
Solange es Menschen gibt, die sagen „Stell dich nicht so an“ oder „Dann halte auch noch die andere Wange in“, sind wir als Gesellschaft noch lange nicht an dem Punkt angelangt, dass Missbrauchsthemen nicht mehr thematisiert werden müssen.
Zu Beginn war es für mich wie eine Therapie, und zunächst wollte ich das Buch Toxic gar nicht veröffentlichen. Allerdings habe ich aus vielen Richtungen positive Resonanz und auch viel Zuspruch erhalten, sodass ich es schlussendlich doch getan habe.
Heute steht die Opferhilfe im Vordergrund. Ich unterstütze mit einem Teil des Erlöses aus dem Buchverkauf den Weißen Ring e.V., damit das Geld dort ankommt, wo es am dringendsten gebraucht wird: bei den Opfern.


Wie ist die Reaktion auf diese Bücher?
Durchwegs positiv. Ich bekomme häufig E-Mails von Betroffenen, die selbst (noch) nicht den Mut haben, über ihr Schicksal zu sprechen – was keine Schande ist. Oft reicht es tatsächlich, ihnen zuzuhören und ein offenes Ohr zu schenken.
Nur einmal bekam ich eine negative Rezension von einem „Mann“ (vermutlich) in der es u. a. heißt: Tja, was soll man(n) dazu sagen? Hättest halt die andere Wange hingehalten.“
Sätze wie diese sind es, die ein Schlag ins Gesicht der Opfer sind.


Welches Buch benötigte am längsten – und warum?
Toxic, weil ich sehr häufig für längere Zeit unterbrechen musste. Die Geschehnisse lagen zu dem Entstehungszeitpunkt noch nicht so lange zurück und ich habe das Buch mit viel Wut im Bauch geschrieben. Wut auf die, die mir das angetan haben, aber vor allem auf mich selbst.


Was tun Sie um auf andere Gedanken zu kommen?
Ich bin sportlich aktiv, fahre viel Rad, gehe wandern und betreibe Kraftsport.


Beschreiben Sie Ihre Bücher in drei Wörter.
Hart. Schonungslos. Ungeschönt. (Aber immer mit dem nötigen Respekt!)


Können Missbrauchsthemen Unterhaltung sein? Falls ja, inwiefern.
Absolut. Umsonst gibt es nicht unzählige True-Crime-Serien, Podcasts, Bücher, Filme …
Missbrauchsthemen können sicherlich in Unterhaltung integriert werden, aber es ist wichtig, sie mit Sensibilität und Respekt zu behandeln, um die Realität der Betroffenen nicht zu verharmlosen oder zu verzerren.
Missbrauchsthemen sind oft schwerwiegend und belastend, aber sie können auch wichtige Diskussionen anregen und das Bewusstsein für diese Probleme schärfen. In Unterhaltungsmedien können sie dazu beitragen, Tabus zu brechen und Menschen dazu zu ermutigen, über ihre Erfahrungen zu sprechen. Allerdings ist es entscheidend, dass sie mit der gebotenen Sensibilität und Tiefe behandelt werden, um die Realität der Betroffenen nicht zu verfälschen oder trivialisieren. Letztendlich sollte Unterhaltung, die sich mit Missbrauch befasst, darauf abzielen, das Verständnis zu fördern und positive Veränderungen bewirken.
Allein die Tatsache, dass ich in meinen Büchern die oftmals fiesen Maschen der Täter aufdecke, könnte beispielsweise dafür sorgen, dass diesen nicht mehr so viele auf den Leim gehen.


Sind weitere Bücher in Planung?
Leider, ja. Ich wünschte, dem wäre nicht so. Aber die Liste der Leute, die sich bei mir melden, ist lang.
Schreiben Sie aus eigener Erfahrung?
Sicherlich hilft mir meine eigene Erfahrung mit sämtlichen Facetten des Missbrauchs beim Schreiben. Toxic und Nutzkind sind Autobiografien. Ab „Drecksweib – So nannte er mich“ schreibe ich über reale Missbrauchsfälle.
Was könnten Sie Opfern raten?
Du bist nicht allein, und du verdienst Unterstützung und Hilfe.
Es ist unsagbar wichtig, dass du dich jemandem anvertraust, jemandem, dem du vertraust, sei es ein Freund, ein Familienmitglied oder ein professioneller Berater.
Was dir passiert ist, ist nicht deine Schuld, und es gibt Mittel und Wege, um Unterstützung zu finden und deine eigene Stärke wieder zurückzugewinnen.
Denke daran, dass du das Recht hast, dich sicher und respektiert zu fühlen, und dass es Möglichkeiten gibt, um Unterstützung und Heilung zu finden.
 
 

Hinterlasse einen Kommentar